… und dann kam Svetlana.

Mit verzerrtem Gesicht unterschrieb mir mein Orthopäde das Rezept für 6 x Physiotherapie, als würde ich ihm damit persönliche Schmerzen zufügen.

Wochen später bekam ich meinen ersten Termin in der höchst unmodernen Praxis, wo die Behandlungsräume wie Schwimmbadumkleiden unterteilt waren. Das „wie“ ist eigentlich wenig angebracht, ich weiß genau, dass es größere Schwimmbadumkleiden waren. Grau melierte Trennwände und 1991-gelbe Füße, Zierleisten und Türklinken. Geschmackvoll kombiniert mit grau-grünem Linoleumboden, auf dem drei türkise Freischwinger mit Keilkissen nebeneinander standen.

Schon am Telefon hatte ich den französischen Akzent meines Therapeuten herausgehört und war erfreut, dass er nicht so gut aussah, wie er klang. Sonst hätte ich mich zu sehr geschämt in Seitenlage meinen weißen, ausladenden Bauch auf die Liege zu legen. Jean-Luc kam aus der französischen Schweiz und roch noch besser, als er klang. Mit geschlossenen Augen versuchte ich mit all meiner Gedankenkraft meine Achseltranspiration bei den doch sehr körpernahen Rückenübungen zu unterdrücken. Vier Termine lang knackste und wiegte, massierte und beriet mich Jean-Luc. Nach meiner vierten Behandlung teilte er mir mit, dass wir uns nur noch einmal sehen würden, da er sich selbstständig machte. Ich freute mich für den Mann, der mittlerweile irgendwie zu meinem Menschenrepertoire dazugehörte. Nach der fünften Behandlung wünschten wir uns gegenseitig alles Gute und ich rechnete damit, in der nächsten Woche von seinem Kollegen eingerenkt zu werden.

Für die frühe Stunde ungewöhnlich fröhlich kam ich in die Praxis und da stand sie: pinkes T-Shirt, dass etwas zu viel Unterbauch offenbarte, breite Schultern, Riesenbrüste und an jedem Unterarm eine Manschette, die den häufigen Gebrauch dieser verrieten. „Gehst du Kabine drei!“ befiehl Svetlana mit kräftigem russischen Akzent und ich tat, was sie sagte. In Kabine drei zog ich wie gewohnt meinen Pulli aus und saß in Unterhemd und Hose auf der Liege, die noch ein frisches Handtuch benötigte. Svetlana kam nach, befiehl „Schuhe aus!“ und „Hose auf!“ und „Uuunterhemd aus, ich bin doch kein Mann, Kindchen!“. Sie zog mir das Unterhemd von Hinten über den Kopf und ließ es auf den Boden fallen.

Die folgenden zehn Minuten wurde ich in unbeschreibliche Positionen gelegt, die mit ruckigem Ziehen und Feststellen meiner Körperteile von Svetlana justiert wurden. „Bein so!“, „Hände locker!“, „Ausatmen!“ und „Entspannen!“ lauteten die Anweisungen zu den Bewegungen, die mir nach fünf Besuchen bei Jean-Luc nicht bekannt vorkamen.

Besonders die Kommandos Ausatmen und Entspannen fielen mir recht schwer. Svetlana versuchte daher mehrfach, mich locker zu machen mit den Worten „Entspanne, du Angsthase!“. Meine Wirbelsäule knackste bei einer der Bewegungen etwa zehn Mal was Svetlana mit „Da gehst du deine Rückenschmerzen!“ kommentierte. In Bauchlage angekommen, zupfte sie an der Haut über meiner Wirbelsäule, öffnete hastig meinen BH und massierte mir dann den Rücken. Eine ruckige, nicht unangenehme Massage, wie ich zugebe. Zum Abschluss klopfte sie mir auf den Rücken, befiehl „Gleich langsam aufstehen!“ und verließ Kabine drei. Ich zog mich an und schaute in den Spiegel neben dem Garderobenständer. Ich hatte einen roten Abdruck von der Aussparung der Liege im Gesicht, der noch bis zum Mittagessen anhalten sollte.