Um sieben

Ich liebe und hasse das Leben um sieben Uhr zugleich.

Vor sieben Uhr ist es dreckig. Die Bierflaschen des vergangenen Tages stehen auf Stromkästen, Plastikeinkaufstüten lassen Straßenmülleimer überquillen. Büroböden sind krümelig von verzehrten Pausenbroten. Dann die Katharsis: Sieben Uhr ist die Zeit der Straßenkehrer und Putzkolonnen. Die Zeit der Anstreicher und Aufbauer und Abreißer.

Sieben Uhr ist die Zeit der Freundlichkeit. Kioskbesitzer freuen sich über Kaffee-Kunden, die noch auf eine Zigarette bleiben und die ewige Kürze bis zum Tagesbeginn mit ihnen verbringen. Ihr Frühaufstehen macht mit jedem To-Go-Becher voller Filterkaffee einen Euro mehr Sinn.

Krankenhausmitarbeiter atmen nach der ersten Pflegerunde bei einer schnell gerauchten Zigarette und einer gespendeten Porzellantasse schwarzen Kaffees durch und warten auf die Hektik, die der Tag bringen wird sobald die Ärzte da sind.

Um sieben Uhr ist es laut und leise. Die Straßenbahnen rollen erst seit einigen Stunden wieder aber sie rollen. Supermarktanlieferer brummen durch enge Gassen und händigen Lieferscheine an übermüdete Frühschichtarbeiter aus. Beinahe jede Straße lässt sich gefahrenfrei überqueren.

Halb acht: Viereckige Schulranzen reflektieren im Licht vereinzelter Autoscheinwerfer und Straßenlaternen. Dreierreihen von anderthalb Meter großen Menschen trotten gähnend und ruhig zum Schulhof. Kleinwägen quetschen sich aus und in Parklücken. Die erste Unruhe auf den Straßen beginnt und der Himmel erhellt sich.

Fünfzehn Minuten später sind die Straßen voll mit gestressten Berufspendlern und zuliefernden oder brötchenholenden Zweitereihe-Parkern. Der Puls schießt heute das erste Mal hoch. Fahrradfahrer fixieren unbeirrt die Ferne während sie todesmutig die Hauptstraße entlang zu ihrem Ziel fahren.

Acht Uhr: Verrückte sind froh, dass die Nacht endlich vorbei ist. Junge bio-affine Mütter können endlich zum Drogeriemarkt gehen.

Hinterlasse einen Kommentar